Saudi-Arabien Mittlerer Osten

COVID-19: Auf unbestimmte Zeit in Saudi-Arabien

Al Ula, Desert X, Najma: She Placed One Thousand Suns on the Transparent Overlays of Space von Lita Albuquerque

Chronologie über die Unvereinbarkeit des Reisens mit einem Pandemieausbruch

Vor drei Wochen haben wir im Beitrag Reisepläne zu Zeiten des Coronavirus erstmals darüber gesprochen, wie schwierig unsere Overland-Reise gerade wird. Seither ist eine Menge passiert. Erlebe mit uns, wie Tag für Tag die Herausforderungen größer werden.

29.02.20In Jordanien hören wir erstmals von Grenzschließungen wegen der COVID-19 Pandemie und entscheiden, auf weitere Tage im Land zu verzichten und stattdessen so schnell wie möglich nach Saudi-Arabien zu reisen. Die Grenzbeamten sind ausgesprochen freundlich und sichtlich erfreut, dass Touristen ins Land kommen. Die einzige Hürde stellt ein Mediziner dar, der unsere Temperatur misst, unsere bisherige Reiseroute erfragt und uns schließlich sein Okay gibt, einzureisen. Wir sind erleichtert. Das Visum gilt für 90 Tage und wir rechnen fest damit, Anfang bis Mitte April in den Sudan überzusetzen.
01.03.20Unseren ersten Tag in Saudi-Arabien verbringen wir in Tabuk, einer Großstadt im Nordwesten des Landes. Organisatorisches wie Wäsche waschen und SIM Karte kaufen stehen auf dem Programm. Bereits in diesen ersten Stunden lernen wir die Saudis als außergewöhnlich gastfreundliches und hilfsbereites Volk kennen. Während wir durch die Straßen spazieren hält ein Fahrzeug neben uns und der Fahrer fragt, ob er helfen könne. Nachdem wir ihm erklären, dass wir eine SIM Karte kaufen möchten, fährt er uns sofort zum nächsten Laden und anschließend wieder zurück zu unserem Auto. Andere Saudis, die bemerken, dass wir im Auto auf einem Moscheeparkplatz übernachten, kaufen ein paar Kleinigkeiten, Snacks, Wasser und kommen mit diesen Geschenken zu uns zurück. Wir fühlen uns ausgesprochen wohl und willkommen.
Plakat in Tabuk, Saudi-Arabien
Moschee-Parkplatz in Tabuk, Saudi-Arabien
Plakat in Tabuk, Saudi-Arabien
Moschee-Parkplatz in Tabuk, Saudi-Arabien
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02.03.20 bis 04.03.20Wir haben Glück und beginnen unsere Erkundungstour von Saudi-Arabien direkt mit einem Highlight. Das Wadi Dissah, auch Wadi Qaraqir genannt, ist ein 15 Kilometer langer Canyon, der von bizarren Sandsteinformationen begrenzt wird. Es ist möglich, mit einem Allradfahrzeug durch den ganzen Canyon hindurchzufahren, vorausgesetzt, das Fahrzeug ist nicht zu groß.
Das Wadi ist ein beliebter Ausflugsort. Wir werden immer wieder eingeladen und haben einige interessante Begegnungen. Zum Beispiel bekommen wir die arabische Version eines Campers auf Pickup-Basis vorgeführt (letztes Bild – man beachte die Ziege am Haken vor dem stolzen Besitzer). Wir treffen britische Extremkletterer, die die Zinne auf den ersten beiden Bildern besteigen – ein Unterfangen, welches bisher nur einmal vorher unternommen wurde. Und wir haben eine – wie sich später zeigen wird – schicksalhafte Begegnung mit Olli, einem Deutschen, der aus dem Fahrzeug einer saudischen Familie springt und uns begrüßt. Später am Abend sitzen wir mit ihm, Mohammed und Rasheed am Lagerfeuer (vorletztes Bild, zweiter und dritter von rechts), am nächsten Tag laden sie uns zum Essen ein. Olli und seine Reisebegleitung Elke hatten Vater Mohammed und Sohn Rasheed auf dem Winter at Tantora Kulturfestival in Al Ula kennengelernt und sie wurden kurzerhand mit ins Auto gesetzt, um an der nächsten Woche des Familienurlaubs teilzunehmen.

05.03.20 bis 07.03.20Besagtes Winter at Tantora Kulturfestival in Al Ula ist auch unser nächstes Ziel. Die ganze Gegend und die Landschaft rund um Al Ula sind sensationell. Unser Nachtlager schlagen wir gemeinsam mit Dani und Didi gegenüber des Elephant Rock auf. Einen schöneren Blick und bessere Gesellschaft können wir uns nicht wünschen. Zwei volle Tage verbringen wir in der kostenlosen Desert X Ausstellung, die Kunst in die Wüste bringt. Ursprünglich stammt die Ausstellung aus dem Coachella Valley in Kalifornien. Dieses Jahr haben die Veranstalter mit den Organisatoren des Al Ula Festivals kooperiert.

Abends am 7.3. erreicht uns die Nachricht, dass Saudi-Arabien alle Landesgrenzen geschlossen hat. Noch sind wir nicht beunruhigt. Wir sind erst eine Woche im Land und haben viel Zeit.

08.03.20 bis 12.03.20Wir erkunden weiter die Gegend rund um Al Ula und fahren gemeinsam mit Dani und Didi durch die fantastischen Landschaften. Dabei lernen wir, dass Skorpione nachts leuchten, wenn man sie mit Schwarzlicht anstrahlt und dass weit mehr dieser fiesen Viecher in der Wüste herumkrabbeln als man meinen sollte. Didi findet beim Reifentauschen an dem Steinbogen insgesamt sieben Skorpione, die in den Reifenprofilen Unterschlupf gesucht hatten.

Am 12.3. stoßen weitere Overlander zu uns. Tim aus Deutschland, der alleine unterwegs ist und Elisabeth mit ihrem Hund Rex, eine Deutsche, die schon lange in Australien lebt und die bereits in der Mongolei schon mal kurz an uns vorbeigefahren war. An diesem Abend sehen wir erstmals Grafiken, die das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen verdeutlichen und es stellt sich eine gewisse Unruhe und leichte Nervosität ein. So langsam beginnen wir zu begreifen, dass dies keine kurze Episode werden wird.

13.03.20Wir erfahren, dass der Oman seine Grenzen ab dem 15.3. schließen wird. Damit verschließt sich uns ein weiterer Rückzugsort, sollten wir auf längere Zeit festsitzen. Tim, der eigentlich nach Ägypten wollte, um durch Afrika zu reisen, entschließt sich, zu versuchen, nach Jordanien auszureisen. Von dort könnten die Fähren nach Ägypten noch in Betrieb sein.

Unser Gedankenkarussell beginnt:
Eine Weiterreise wie geplant in den Sudan scheidet aus. Es ist abzusehen, dass weitere Landesgrenzen schließen werden. Wir möchten keinesfalls im Sudan oder Äthiopien stecken bleiben. Außerdem ist es in ganz Afrika nicht unwahrscheinlich, dass durch die Krise der Fremdenhass auf die Weißen geschürt werden könnte. Später sollte sich diese Befürchtung bestätigen. In vielen Ländern gibt es mittlerweile offene Anfeindungen und Schuldzuweisungen, die Weißen hätten den Virus ins Land gebracht.

Eine andere Möglichkeit wäre, wieder nach Jordanien zurückzufahren. Dort gilt die Aufenthaltserlaubnis für Touristen aber nur 30 Tage. Das kommt für uns nicht in Frage. Außerdem ist es eine Sackgasse. Die Weiterreise nach Israel ist schon länger nicht mehr möglich, da ein Nachweis verlangt wird, dass man sich 14 Tage in Selbstisolation begeben kann. Zurück nach Saudi-Arabien ginge dann auch nicht mehr, da die Grenze bereits seit fast einer Woche geschlossen ist.

Wir könnten auch in Saudi-Arabien bleiben. Allerdings wird es hier bald extrem heiß. Das wird nicht nur für uns zur Qual sondern auch für Ramon. Er hat sehr gute neue Reifen, die nach einem Sommer in Saudi-Arabien vermutlich hinüber sein werden. Außerdem wissen wir nicht, wie die zollrechtliche Situation aussieht. Wir und unser Fahrzeug dürfen insgesamt 90 Tage im Land bleiben. Es ist anzunehmen, dass für das Touristenvisum Ausnahmen ermöglicht werden. Beim Fahrzeug sieht das schon anders aus. Es gibt erst seit wenigen Monaten Individualtourismus im Land und die zollrechtliche Grundlage fehlt. Wir können nicht abschätzen, wie sich der saudische Zoll verhalten wird und bräuchten eine Bestätigung, dass das Fahrzeug ebenfalls länger bleiben darf.

Die Vereinigten Arabischen Emirate sind noch eine letzte Möglichkeit. Dort gilt das internationale Zolldokument Carnet de Passage, mit welchem Fahrzeuge bis zu sechs Monate im Land verbleiben dürfen. Außerdem gibt es dort den größten internationalen Flughafen und auch einen Schiffshafen, falls unser Fahrzeug doch irgendwie außer Landes gebracht werden müsste. Das klingt eigentlich nicht unattraktiv.
14.03.20Wir gründen eine WhatsApp Gruppe mit allen Overlandern in Saudi-Arabien, die wir bisher kennengelernt haben. Tim reist erfolgreich nach Jordanien ein. Saudi-Arabien sagt ab 15.3. alle internationalen Flüge ab.
Wir lassen uns nicht unterkriegen und fahren erst einmal mit den TrailPunkz eine traumhafte Offroad-Tour durch Sand und Gesteinsformationen. Vielen Dank, Janina und Peter, für die tolle Tour!
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
Offroad-Tour bei Al Ula, Saudi-Arabien
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15.03.20Erst am Nachmittag gegen 15 Uhr erreichen wir eine Gegend, in der wir wieder Mobilfunkempfang haben. Die erste Nachricht, die uns erreicht ist, dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Grenzen am 17.3. schließen werden. Bis zur Grenze sind es noch 1.500 Kilometer. Mit unseren Fahrzeugen können wir maximal rund 100 Kilometer pro Stunde fahren und die Großstadt Riad liegt direkt auf dem Weg, was zusätzlich Zeit kosten wird. Bei einem optimistisch gerechneten Schnitt von 80 km/h bedeutet dies eine Fahrtzeit von etwa 19 Stunden, mindestens zwei Tage.

Um keine Zeit zu verlieren, fahren Dani, Didi und wir sofort los, die TrailPunkz entscheiden sich gegen die Hetzjagd quer durchs Land. Während wir fahren hängt sich Daggi ans Telefon. Um valide Informationen zu erhalten, ob die Grenze wirklich noch offen ist und um die Alternative – unseren Verbleib in Saudi-Arabien – zu klären, sprechen wir mit den deutschen Botschaften in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Riad, mit der saudischen Tourismusbehörde und dem saudischen Zoll. Die Botschaften können uns leider nicht weiterhelfen, sie haben selbst keine Informationen, die Tourismusbehörde verweist auf ihren Twitterkanal, wo immer neueste Nachrichten geteilt werden und der Zoll hilft leider auch nicht weiter.

Nach etwas über drei Stunden Fahrt entscheiden wir, dass es keinen Zweck hat. Die verbleibenden Kilometer schrumpfen zu langsam. Schweren Herzens verabschieden wir uns von Dani und Didi, die die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen wie wir.
16.03.20 bis 17.03.20Wir benötigen Zeit zum Nachdenken. In Ruhe. Also fahren wir nach Ha’il, wo wir für zwei Nächte in einem günstigen Hotel absteigen. Am zweiten Tag kommen Dani und Didi zurück. Auch sie haben aufgegeben. Die Strecke war nicht zu schaffen, die Situation in den VAE zu ungewiss. Sollte man dort stranden, bliebe nur in ein Hotel oder ein Apartment zu ziehen, da es kaum abgelegene Plätze gibt. Saudi-Arabien bietet erheblich mehr unbewohnte Fläche und somit mehr Rückzugsmöglichkeiten in die Wildnis. Dani und Didi verlassen uns am selben Tag wieder. Sie haben das Sightseeing noch nicht aufgegeben und möchten weiter.

Ab 17.3. bleiben in Saudi-Arabien für mindestens 14 Tage die meisten Geschäfte geschlossen. Wichtige Dienstleistungen, Banken und Lebensmittelgeschäfte bleiben ausgenommen, werden aber teilweise stark eingeschränkt.
18.03.30 bis 20.03.20Wir entscheiden, uns in maximale Selbstisolation zu begeben – also raus aus der Stadt und ab in die Natur. Gleichzeitig überlegen wir, wo wir es länger im Land aushalten könnten. Die Berge südlich von Dschidda sind eine der kühlsten Regionen Saudi-Arabiens. Das wäre bestimmt nicht schlecht. Um dorthin zu gelangen, müssen wir die Strecke wieder zurückfahren, die wir zuvor in Richtung VAE Grenze gerast waren. Eine Sehenswürdigkeit, die fast auf dem Weg liegt, nehmen wir dabei auch noch mit, die sogenannten Black & White Volcanos. Eine vulkanische Gegend, in der ein Vulkan dunkles Lavagestein ausgeworfen hat, welches sich sehr deutlich vom hellen Gestein der anderen Vulkane abhebt.
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
Black and White Volcano, Saudi-Arabien
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18.03.30 bis 20.03.20Saudi-Arabien kündigt Visa-Verlängerungen für gestrandete Touristen an. Immer mehr Einrichtungen wie Strände, Ressorts und beliebte Ausflugsorte werden geschlossen.

Wir sind in ständigem Kontakt zur Botschaft. Die Hauptfrage bleibt die Haltung des saudischen Zolls in Bezug auf unsere Fahrzeuge. Mittlerweile gibt es verschiedene Szenarien. Eventuell müssen wir länger als 90 Tage im Land bleiben oder aber wir müssen Saudi-Arabien verlassen und werden nach Hause geflogen, während unsere Fahrzeuge im Land bleiben. Beiden Szenarien muss der saudische Zoll zustimmen. Und in beiden Szenarien drohen womöglich drastische Folgen. Die Zahlung von Einfuhrzoll auf den Fahrzeugwert, die Verschrottung des Fahrzeugs um die Zahlung der Zollgebühren zu vermeiden oder die Beschlagnahmung des Fahrzeugs sind die schlimmsten Möglichkeiten, die aber durchaus realistisch sind.
21.03.20In Saudi-Arabien werden alle Inlandszüge, Busse und der Taxiverkehr eingestellt.
22.03.20Wir reisen langsam weiter in Richtung Rotes Meer, um uns dann nach Süden und in die Berge zu bewegen. Zuvor möchten wir noch etwas Zeit im Hinterland verbringen und suchen uns einen Platz zum Verweilen. Er ist nicht vollständig in unbelebtem Gebiet. Am Tag kommen etwa drei bis vier Fahrzeuge von Beduinen bei uns vorbei. Alle sind sehr freundlich, laden uns weiterhin ein, halten aber Abstand. Konsequent müssen wir alle Einladungen ausschlagen.
Übernachtungsplatz bei Al Wajh, Saudi-Arabien
23.03.20Elisabeth stößt zu uns. Es wird eine landesweite, nächtliche Ausgangssperre von 19 bis sechs Uhr bis mindestens 12.4. verkündet.

Wir beginnen, nach Unterkunftsmöglichkeiten zu suchen, was sich als schwierig erweist. Wir suchen, was es in Saudi-Arabien nicht gibt. Im ganzen Land existiert nach unserem Wissen kein Campingplatz (und wenn, dann hätte er geschlossen). Es gibt Strandressorts, die aber tatsächlich zu sind. Hotels, die in anderen Ländern manchmal die Möglichkeit bieten, in einem Innenhof im Fahrzeug zu übernachten und die Sanitäranlagen des Hotels zu nutzen, gibt es ebenfalls nicht. Alle, die wir finden, sind Betonklötze ohne Innenhöfe an großen Straßen. In so einem Hotel würden wir eingehen. Wir könnten uns nichts mehr zu essen kochen und müssten den ganzen Tag im dunklen, klimatisierten Zimmer sitzen. Wir suchen bei den üblichen Buchungsportalen im Internet, bei AirBnB und Couchsurfing, über Facebook und fragen Expats, die hier leben. Ohne Erfolg.
24.03.20Wir entscheiden, am folgenden Tag weiter Richtung Dschidda und Berge zu fahren. Auch wenn wir noch keine Unterkunft gefunden haben, halten wir es für besser, bereits in der Region, in der wir uns länger niederlassen möchten, zu sein. Im Laufe des Tages schreiben wir eine Nachricht an Rasheed, den wir zusammen mit seinem Vater Mohammed und den beiden Deutschen Olli und Elke im Wadi Dissah kennengelernt hatten. Wir waren lose in Kontakt geblieben, weil wir uns sehr gut verstanden hatten und sie gerne in ihrer Heimatstadt Riad besucht hätten. Wir fragen Rasheed, ob er irgendeine Empfehlung für eine Unterkunft hat, in der wir für längere Zeit ausharren können.

In der Nacht bekommen wir Besuch von der Polizei. Wir dürfen nicht an unserem Übernachtungsplatz bleiben. Nach langer Diskussion geben wir auf. Unsere Argumentation, dass wir hier in der Natur weit weg von allen Menschen besser isoliert sind als in jedem Hotel und jeder Stadt, zählt nicht. Wichtig ist nur, dass niemand draußen ist. Also werden wir ins nächste Dorf zur Polizeistation eskortiert, wo wir in unseren Fahrzeugen bei geöffnetem Hoftor schlafen dürfen. Nach unserer Ankunft im Hof entspannen sich die Beamten deutlich. Sie überlassen uns das ganze Gebäude, bringen uns zehn Liter Trinkwasser und sind ausgesprochen freundlich. Später erst erfahren wir, dass die Strafe für das Brechen der Ausgangssperre bei 10.000 Rial liegt, umgerechnet etwa 2.500 Euro. Nach ihrer Ansicht ein Vergehen, welches wir begangen haben.

Als wir gerade im Bett liegen kommt eine Nachricht von Rasheed. Ihre Familie besäße ein Sommerhaus in den Bergen – genau wo wir hinwollten – und wir könnten dort bleiben solange wir möchten. Es wäre genügend Platz auf dem Grundstück. Die Größe des Steins, der uns vom Herzen fällt, ist unbeschreiblich.
25.03.20Sehr früh morgens machen wir uns auf den Weg nach nach Yanbu, einer größeren Stadt am Roten Meer. Dort möchten wir unsere Lebensmittelvorräte aufstocken und Geld bei einer Bank einzahlen, um unsere Haftpflichtversicherung für das Auto zu verlängern. Bei der Einreise hatten wir nur für vier Wochen abgeschlossen. Die Bank hat leider geschlossen und wir werden vermutlich eine teure Auslandsüberweisung durchführen müssen. Kreditkarten werden von der Versicherung nicht akzeptiert und die Landesbüros können auch nicht helfen. Immerhin können wir noch unseren Vorrat an Kaffeebohnen aufstocken, bevor wir die Nachricht erhalten, dass ab 15 Uhr am folgenden Tag alle Grenzen der 13 Bezirke Saudi-Arabiens geschlossen werden. Uns trennen noch zwei dieser Grenzen von unserem rettenden Domizil. Außerdem soll angeblich die Ausgangssperre ausgeweitet werden und ebenfalls bereits ab 15 Uhr gelten. Später stellt sich heraus, dass diese Regelung nur für Mekka, Medina und Riad gilt.

Wir lassen also alle Einkaufspläne fallen und entscheiden, noch die maximale Strecke bis zur einsetzenden Ausgangssperre zurückzulegen. Um nicht wieder gegen sie zu verstoßen, gehen wir in die Offensive. Wir suchen uns die Polizeistation eines kleinen Dorfes kurz vor Dschidda und erklären dort, dass wir mit dem Auto reisen, darin schlafen, nicht in ein Hotel möchten aber natürlich die Ausgangssperre respektieren und einen Platz benötigen, wo all das möglich ist. Kein Problem für die Polizei, einfach gegenüber bei der Schule. Dort können wir die Nacht über bleiben. Trotzdem dauert es keine drei Stunden, da steht ein Polizeifahrzeug vor uns. Es wird telefoniert, übersetzt, verhandelt, Hotels vorgeschlagen und der Verdacht vorgetragen, wir hätten Corona. Es kostet einige Überzeugungsarbeit aber schlussendlich dürfen wir doch die Nacht bleiben.
26.03.20Die Ausgangssperre endet um sechs Uhr morgens. Um 5:45 Uhr sind wir auf der Straße Richtung Al Baha, wo sich das Haus von Rasheeds Familie befindet. Wir geben Gas. Vor 15 Uhr möchten wir zumindest noch über die verbleibende Bezirksgrenze kommen. Eine hatten wir bereits am Vortag geschafft. Große Kolonnen von Polizeifahrzeugen kommen uns entgegen. Als wir gerade einen Tankstopp einlegen donnern zwei große MAN KAT 6×6 Militärfahrzeuge in Höchstgeschwindigkeit und mit Blaulichtbegleitung an uns vorbei. Das alles trägt nicht gerade zu unserer Beruhigung bei. Wir gönnen uns keine Pausen und kommen sehr gut durch. Bereits um 10:15 erreichen wir die letzte Bezirksgrenze, die wir überqueren müssen. Dort steht nur ein Polizeifahrzeug, niemand kümmert sich um uns und wir sind drin. Wir haben es vermutlich geschafft. Dennoch möchten wir noch das Haus erreichen, bevor wir uns erlauben, durchzuatmen. Es geht eine steile Straße hoch in die Berge. Einen Stopp müssen wir trotzdem einlegen. Die Straße führt direkt am Dhee Ayn Marble Village vorbei, einem 400 Jahre alten, verlassenen Dorf, welches auf einem Marmorhügel erbaut wurde. Nach wenigen Fotos springen wir wieder ins Auto, holen in Al Baha unseren Lebensmitteleinkauf nach und erreichen unser Refugium gegen 15 Uhr. Jetzt können wir durchatmen.
Dhee Ayn Marble Village, Saudi-Arabien
27.03.20Auch Dani und Didi gelingt es noch, die letzte Bezirksgrenze zu überqueren, nachdem sie am Vortag 1.200 Kilometer gefahren waren. Am frühen Vormittag stoßen sie zu uns. Nun stehen wir zu fünft hier im Garten des Hauses und sind unendlich dankbar für die enorme Hilfe und Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wird. Eine bessere Unterkunft hätten wir uns nicht wünschen können. Wir übernachten in unseren Fahrzeugen und können die Sanitäranlagen des Hauses nutzen. Im Garten wachsen Blumenkohl, Kartoffeln, Rosmarin, Minze, Zwiebeln, Orangen und manches mehr. Es gibt einen gemeinsamen Aufenthaltsraum in einem Nebengebäude. Das Klima ist mild, da wir uns auf über 2000 Meter Höhe über dem Meeresspiegel befinden. Kurz: wir befinden uns im Paradies. Vielen, vielen Dank, Rasheed und Mohammed!

Sommerresidenz Al Baha, Saudi-Arabien
Sommerresidenz Al Baha, Saudi-Arabien
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Sommerresidenz Al Baha, Saudi-Arabien
Sommerresidenz Al Baha, Saudi-Arabien
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28.03.20 bis heuteDie Tage im Haus vergehen wie im Flug. Wir sind weiter dabei, mit der Botschaft und dem Zoll zu verhandeln und machen langsam Fortschritte. Wir organisieren Unterstellmöglichkeiten für die Fahrzeuge, falls wir in unsere Heimat zurückfliegen sollten. Putzen die Autos, um die Gefahr der Schimmelbildung während der Unterbringung in Saudi-Arabien zu verringern. Kochen, bearbeiten Fotos, schreiben Blogbeiträge. Bisher sind die angebotenen Flüge zu teuer, 1.000 Euro pro Person oder mehr sind keine Option für Langzeitreisende mit hart kalkuliertem Budget. Wir sind gespannt, wie es weitergeht, aber für den Moment können wir mal kurz durchatmen.

Durchatmen konnten wir wirklich nur kurz. Wenn du wissen möchtest, wie es weitergegangen ist, dann findest du die Fortsetzung im Beitrag COVID-19: Das (vorläufige) Ende der Reise.


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